Archiv für August 10th, 2007

Preston Sturges und seine Filme

Preston Sturges (eigentlich Edmund Preston Biden)
(* 29. August 1898 in Chicago, Illinois, † 6. August 1959 in New York)

Einer der Männer, denen der große Billy Wilder die Chance verdankte, vom Drehbuchschreiben zum Regieführen zu wechseln, ist Preston Sturges. Er war der erste, der nach mehrjähriger Arbeit als Autor in Hollywoods Studiosystem, das oft auf genaue Abgrenzung achtete, auch selbst als Regisseur arbeitete.

Sturges begann nachdem er schon ein bekannter Broadway-Komödien-Schriftsteller war, ab 1930 in Hollywood seine Arbeit als Drehbuchautor und schrieb unter anderem an den Drehbüchern zu The Invisible Mann/Der Unsichtbare und The Power and the Glory/Macht und Ruhm mit. Seine große Chance kam, als ihm die Paramount gestattete, selbst einmal Regie zu führen. Chefproduzent William LeBaron entschied, das Sturges nach 13 Drehbüchern eine Chance verdiente. So schuf Sturges in den folgenden Jahren 12 Filme, die sich durch ihren ganz eigenen Reiz auszeichnen.

Sein erster großer Regieerfolg wurde The Great McGinty/Der große McGinty. Der Film schilderte die Karriere eines provinziellen Politikers, der keine saubere Vergangenheit hat, aber auf Wunsch seiner Ehefrau versucht — übrigens mit erbärmlichem Erfolg — einen ehrlichen Weg durchs Leben zu gehen. In The Lady Eve/Die Falschspielerin verspottete Sturges eine supermoderne Frau. Eine wahre Offenbarung war der Film Sullivan’s Travels/Sullivans Reisen, eine Geschichte über einen Hollywoodregisseur, der auf der Suche nach einem Thema für ein problematisches soziales Drama mit den authentischen Tiefen der amerikanischen Wirklichkeit in Berührung kommt. Der Streifen The Miracle of Morgan ’s Creek/Sensation in Morgan’s Creek hat eine sechsfache Mutter zur Heldin, die sich nicht allzuviel Gedanken über ihren „Kriegsmann" macht, den sie während eines Vergnügens für die an die Front gehenden Soldaten schnell geheiratet hat. Hail the Conquering Hero/Ein Hoch dem siegreichen Helden, der letzte Film aus dem Zyklus der satirischen Komödien, kehrt wieder zu den Kulissen der lokalen politischen Streitereien in einer Kleinstadt zurück.

Preston Sturges war ein Erneuerer der amerikanischen Komödie, die in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre zu erstarren drohte. Er nutzte seine reichen Lebenserfahrungen und seine Erfahrungen als Autor von Broadwaykomödien, von denen z. B. „Strictly Dishonorable" 69 Wochen lang gespielt wurde, für die Schaffung einer andersartigen, ungewöhnlich erfrischenden und neuen Konzeption einer Filmkomödie.

Der Boden, auf dem er sich bewegte, war sehr real und authentisch: die amerikanische Provinz, obskurantisch und eingebildet, im Zerrspiegel der Satire gezeigt, ohne Nachsicht und ohne eine Träne der Rührung — Eigenschaften, die beispielsweise für Frank Capras Schaffen charakteristisch waren. Seine große Beobachtungsgabe verband er als Regisseur mit der Tendenz, die Gestalten zu überzeichnen. Sie sind gewissermaßen eine Essenz der typischen Eigenschaften, die bei einem Provinzpolizisten auftreten (Sensation in Morgan’s Creek), bei einem Lehrer in einer Kleinstadt (Ein Hoch dem siegreichen Helden) oder bei einem Impressario eines großen Filmregisseurs (Sullivans Reisen).

Preston Sturges war kein Moralist und wollte in seinen Filmen nichts beweisen. Er verdammte und er lobte nicht, er sprach sich nicht für die Tugend aus und warf auch keine Steine der Entrüstung auf menschliche Schwächen und Sünden. Man könnte ihn sogar einer bestimmten Dosis Zynismus verdächtigen, besonders dann, wenn er gegen jede Logik und den gesunden Menschenverstand ein Happy-End in seine Drehbücher hineinbrachte. Aber die Happy-Ends sind in Wirklichkeit gar nicht so erfreulich, denn der Regisseur sagt durch sie deutlich aus, seine Mitbürger seien naiv und leichtgläubig. Er beschränkt sich darauf, manchmal in karikierter Form, zu zeigen, wie die kleine amerikanische Welt in der dumpfen Provinz aussieht.

Alle Filme von Preston Sturges, die in den Jahren 1940 bis 1944 für die Paramount gedreht worden sind, haben einen gemeinsamen thematischen Nenner, der sich um das ewige amerikanische Problem dreht, um das Dilemma, wie man Erfolg erringt und wie man sich vor dem Verlust der eroberten Position schützt. Den permanenten Zustand ständiger Spannung seiner Mitbürger machte Sturges zum Mittelpunkt, um den sich alles dreht. Hier trachtet jeder danach, wenigstens eine Sprosse höher zu kommen, und lebt in panischer Angst, nicht ein paar Sprossen zu fallen.

Sturges begann seine Filme meist mit einem Kulminationspunkt, mit einem Krisenmoment, um den Zuschauer nicht zur Ruhe kommen zu lassen und ihn mit Spannung zu überfallen. Von der Boulevardkomödie übernahm der Drehbuchautor und Regisseur in einer Person die Leichtigkeit und den Redefluß des Dialogs, von den Avantgardisten die unerwarteten Gegenüberstellungen, die auf Schock basierenden Handlungen. Und er übertrug noch ein Element von der Bühne auf den Film, das für Hollywooder Verhältnisse damals ungewöhnlich war, nämlich das beständige Schauspielerteam, das in allen Filmen in ähnlichen Rollen auftrat. William Demarest erschien oft als brutaler Choleriker und Franklin Pangborn als Snob aus der sogenannten großen Welt. Eddie Bracken war der erste naive, ehrliche Tölpel sowohl in Sensation in Morgan’s Creek als auch in Ein Hoch dem siegreichen Helden. Die Hauptrollen - die Liebhaber und Liebhaberinnen - wurden mit Stars besetzt (Barbara Stanwyck, Joel McCrea, Henry Fonda, Dick Powell und so weiter), dagegen wurden die Schauspieler, die bestimmte Typen - in Nebenrollen - darstellten, von einem Film zum anderen übernommen. Sie bewirkten, daß das Lokalkolorit und die Kleinstadtatmosphäre zu einem beständigen Faktor in Preston Sturges’ Schaffen wurden.

In den Jahren 1940 bis 1944 erreichte Preston Sturges seinen größten Ruhm. Seine Filme waren dynamisch, und unkonventionell. Nach 1944 konnte er nicht mehr auf gleicher Höhe an seine ersten erfolge anknüpfen. Andererseits haben ihm jedoch die acht Filme, die er während des Krieges für die Paramount gedreht hat, einen Platz an der Spitze der sehr originellen Filmkomödienregisseure in der Geschichte des Films gesichert — und zwar für immer.

(Quelle: "Geschichte des Films 1939 - 1945" von Jerzy Toeplitz und andere

Regiearbeiten (und jeweils auch Drehbuch):

1940: Weihnachten im Juli (Christmas in July)
1940: Der große McGinty (The Great McGinty)
1941: Die Falschspielerin (The Lady Eve)
1941: Sullivans Reisen (Sullivan’s Travels)
1942: Atemlos nach Florida (Palm Beach Story)
1943: Sensation in Morgan’s Creek (The Miracle of Morgan’s Creek)
1944: The Great Moment
1944: Heil dem siegreichen Helden (Hail the Conquering Hero)
1947: Verrückter Mittwoch (Mad Wednesday aka The Sin of Harold Diddlebock)
1948: Die Ungetreue (Unfaithfully Yours)
1949: The Beautiful Blonde of Bashful Bend
1955: Das Tagebuch des Mister Thompson (Les Carnets du Major Thompson aka The French, They Are a Funny Race)


 

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