nachtstudio (3SAT) Abgehauen (NDR)

Abwege (ARTE)

Stummfilm
Georg Wilhelm Pabst, 1928
Keine Wiederholungen

Irene Beck, die attraktive Frau eines gut situierten Rechtsanwalts, ist unglücklich: Sie leidet unter der Indifferenz ihres Mannes und versucht, ihrem Leben zu entkommen. Als sie mit einem Kunstmaler, der sie sehr verehrt, die Flucht wagt, weiß ihr Ehemann diese Verzweiflungstat zu vereiteln. Daraufhin stürzt sich Irene ins Nachtleben, in den Drogenrausch und in einen weiteren Flirt mit einem Boxer. Sie provoziert die Scheidung, indem sie sich für ihren Mann als die in flagranti erwischte Ehebrecherin inszeniert. Doch dem Gerichtstermin folgen eine Versöhnung und der Entschluss wieder zu heiraten. Alles kann noch einmal von vorne beginnen.
In "Abwege" gibt sich Regisseur Georg Wilhelm Pabst von seiner kühlsten Seite: Die Kamera registriert lediglich, was übrig bleibt, wenn man den Figuren psychologische Motivation und Zielrichtung nimmt. Die Personen des Films posieren voreinander und vor der Kamera, und immer wieder werden die Gesten und Allüren als Teil eines erotisch aufgeladenen Rollenspiels entlarvt. Pabst zeigt teilnahmslos eine Gesellschaft des Scheins, in der die fetischisierten Objekte des Blicks zu barer Münze gemacht werden. Man tauscht und man täuscht. Es ist das Bild einer Gesellschaft, die die Gesetze des Marktes verinnerlicht hat, welches "Abwege" so frappierend modern erscheinen lässt.
Lange Zeit erschien "Abwege" nur als Titel in den Filmografien von Georg Wilhelm Pabst, da der Film als verschollen galt. Dabei befand sich das unvollständige Original-Negativ im Staatlichen Filmarchiv der DDR, ererbt aus dem Reichsfilmarchiv. Die Titel sind nur als fragmentarische Springtitel erhalten; eine Zensurkarte, die Aufschluss über die ursprüngliche Titelfassung geben könnte, ist nicht auffindbar. Auf Initiative und kofinanziert von ZDF/ARTE restaurierte das Bundesarchiv/Filmarchiv in Zusammenarbeit mit der Stiftung Deutsche Kinemathek im Jahre 1998 sein Original-Negativ und ergänzte eine fehlende Rolle durch ein Kopienfragment aus den Beständen der Fondazione Cineteca Italiana. Die Fassung folgt im Wesentlichen einer Arbeitskopie des Filmmuseums München; die Titel entsprechen in Wortlaut und Gestaltung denen im Original-Negativ enthaltenen Angaben, ergänzt durch Rückübersetzungen aus dem Französischen.
Die Komposition für "Abwege" sieht zehn Instrumente vor: Klarinette, Saxophon, Fagott, Akkordeon, Klavier, Schlagzeug und Streichquartett. Mit dieser farbigen Instrumentierung fängt die Musik unterschiedliche Schauplätze und Atmosphären des Films ein. Der betont kühlen Inszenierung setzt sie einen expressiven Blick auf das Geschehen entgegen und artikuliert, was ausgespart oder nur ironisch angedeutet ist. Die Musik, die unter Frank Strobel als Dirigent mit dem renommierten Stummfilmmusik-Ensemble Kontraste eingespielt wurde, bringt zum Ausdruck, was Pabst wie kein anderer zu seiner Zeit zu inszenieren verstand: das Spiel von Täuschung und Verführung in den Ritualen des gesellschaftlichen Umgangs. Die Musik knüpft an die ausgedehnten Tanzszenen und ihre Choreografie unerfüllter Leidenschaft an; sie scheut vor dem Melodramatischen nicht zurück und thematisiert, was Pabst in seinen nihilistischen Gesellschaftstableaus immer wieder umkreist: das Melodramatische als einzig mögliche Gefühlsebene einer Zeit, in der das Tragische im Trivialen aufgegangen ist.

[arte]



3. February 2007 um 0:55 Uhr von Bienchen1984

Eingetragen unter: TV-Tips

Kommentieren

benötigt

benötigt,
wird nicht angezeigt

erlaubte HTML-Tags:
<a href="" title="" rel=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <code> <div align=""> <em> <font color="" size="" face=""> <i> <li> <ol> <strike> <strong> <sub> <sup> <ul>

Trackback this post  |  Subscribe to the comments via RSS Feed


Kategorien

TV-Tips

Links

Neueste Einträge

letzte Kommentare

Archiv

Meta





Wir sind die Kunden!